Die Juristin Fiona Leu beschäftigte sich in ihrer Dissertation mit der Frage, der Integration von Gewässern in unser modernes Rechtssystem, indem diesen eine eigene Rechtspersönlichkeit oder eigene Rechte zugestanden werden. Sie schreibt: „Es wurde bereits viel zur Legitimation dieser Rechte und dazu, wie sie ausgestaltet werden sollten geschrieben, nicht aber wie sie ganz konkret umgesetzt werden sollten. Besonders faszinierte mich daher die Frage, mithilfe welcher Verfahren die Gewässer, als körperliche, nicht-menschliche Entitäten in unser modernes Rechtssystem integriert werden können.“
Konkret lautete ihre Forschungsfrage: „Mithilfe welcher juridischen Verfahren lassen sich Gewässer als nicht-menschliche Entitäten in die modernen Rechtssysteme integrieren und wie sollten diese ausgestaltet werden?“ Aus einer rechtsphilosophischen Perspektive werden Grundsätze untersucht, die den juridischen Verfahren eine Ausrichtung geben können. Aus einer rechtsfaktischen Perspektive untersuchte Fiona Leu drei Beispiele denen eigene Rechte oder Rechtspersönlichkeit zuerkannt wurden: den Whanganui River in Neuseeland, den Río Atrato in Kolumbien und den Lake Erie in den USA. Und aus einer rechtstheoretischen Perspektive, untersucht Leu, «wie die modernen Rechtssysteme konkret umgestaltet werden müssen, um die Gewässer bestmöglich zu integrieren.» Interessant ist dabei die Ansicht Leus, «dass Gewässer mithilfe ihres Gewässerkörpers selbst auf moderne Rechtssysteme und deren Verfahren einwirken können und sich damit darin bis zu einem gewissen Grad selbst vertreten können.» Dort wo Menschen die Interessen des Flusses vertreten, ist es bedeutsam, dass eine möglichst gute Kommunikation unter den Vertreter:innen angestrebt wird und Interessenskonflikten begegnet werden kann. Verfahren, die dies gewährleisten sollen, werden in der Arbeit vorgestellt. Die Dissertation «Fiona Leu, Unbequeme Welten bauen: Ein Versuch der Inklusion von Oberflächengewässern ins moderne Rechtssystem», wurde noch nicht publiziert. Sobald eine Publikation vorliegt, werden wir an dieser Stelle darauf verweisen.
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Wir haben bereits auf die Petition unserer Partnerorganisation SENTIENCE aufmerksam gemacht, welche sich in ihrem aktuellen Projekt für Tiere einsetzt, welche kaum sichtbar sind. Dazu gehören auch Fische.
Wer sich intensiver mit der Intelligenz und Empfindungsfähigkeit von Fischen auseinandersetzen möchte, den verweist Sentience auf eine Studie von Culum Brown [Brown, C. (2015). Fish intelligence, sentience and ethics. Animal cognition, 18(1), 1-17.] Auf der Grundlage von einer Vielzahl von Studien kommt Brown zur Erkenntnis, dass Fische ein sehr gutes Gedächtnis haben und voneinander lernen können. Sie leben in komplexen sozialen Gemeinschaften, erkennen sich selbst und andere. Fische kooperieren miteinander und sind in der Lage Werkzeuge zu benutzen. Ihre primären Sinne sind, so Brown, meistens genauso gut und in vielen Fällen sogar besser als jene von uns Menschen. Verglichen mit dem Verhalten von Primaten gibt es nur wenige Unterschiede. Die Beweislage deutet deshalb stark darauf hin, dass Fische empfindungsfähig sind und die Beweise häufen sich, dass Fische Schmerzen empfinden wie wir Menschen. Deshalb fordern wir Grundrechte und Rechtspersönlichkeit für die Reuss und ihre Bewohner. Auch die Reuss leidet unter Littering. Littering ist die Unsitte, Abfälle im öffentlichen Raum achtlos wegzuwerfen oder liegenzulassen. Gemäss der IG für eine saubere Umwelt (IGSU) sind vier Abfallarten die Hauptverursacher für diese grundsätzlich einfach vermeidbare gravierende Umweltbelastung: 66 % machen die weggeworfenen Zigaretten aus. Dann folgen mit 16% die Take-Away-Verpackungen, danach folgen mit 7% die PET-, Alu- und Glas-Getränkeverpackungen, sowie mit 6% Getränkekartons, Scherben und Deckel. Etwas vereinfach zusammengefasst könnten 95% Littering vermieden werden, wenn Raucherinnen und Raucher die Zigaretten nicht wegwerfen und jene die sich in der Natur verpflegen, ihren Abfall ordentlich entsorgen würden. Leider ist diese Selbstverständlichkeit für zu viele noch immer zu anstrengend und wird vom Staat leider nur allzu zimperlich geahndet. Denn der dadurch angerichtete Schaden für unsere Gewässer im Allgemeinen und die Reuss im Speziellen ist verheerend. Mit dem Zigaretten-Littering gehen schwerwiegende gesundheitliche und ökologische Auswirkungen einher. Gemäss Ocean Care enthalten weggeworfene Zigarettenstummel rund 7000 giftige Chemikalien, wovon einige Krebs verursachen können. Auch wenn sich der Zigarettenstummel je nach Umweltbedingungen nach rund einem bis zehn Jahren auflöst, bleiben diese Gifte in der Umwelt und haben einen verheerenden Einfluss auf das Wasser, das Lebenselixier der Menschheit schlechthin. Auch die achtlos weggeworfenen Plastikabfälle finden den Weg über unsere Flüsse in die Meere. Gemäss WWF bestehen drei Viertel des Mülls im Meer aus Plastik. Diese Tonnen von Plastik kosten jedes Jahr zehntausenden Tieren das Leben. Denn bis zur völligen Zersetzung von Plastik können mehrere Hundert bis Tausende an Jahren vergehen. Kurzum: Littering ist schlecht für die Reuss, schlecht für das Wasser, schlecht für die Natur. Deswegen engagiert sich u.a. die Interessengemeinschaft saubere Umwelt IGSU mit Sensibilisierungsaktionen, um das Littering zu reduzieren. Bei Interesse findet sich eine Übersicht der Aktionen hier. Die IGSU ist Partnerin von Rechtsperson Reuss und setzt sich ein für eine saubere Umwelt. Gemäss Kassensturz von srf ist der Kanton Luzern einer jener Kantone, der nicht bekannt gibt, in welchen Gemeinden das Trinkwasser im Kanton Luzern mit gesundheitsschädigenden Schadstoffen belastet ist.
Man muss vermuten, dass es ziemlich viele sind, denn der Kanton Luzern ist bekannt für die vielen Schweine-Industrie-Betriebe. Entsprechend hoch sind die Nitrateinträge und die Verschmutzung der Gewässer. Im Kassensturzbeitrag geht es um Trinkwasser, welches mit Metolachlor belastet ist. Metolachlor wird vor allem beim Anbau von Futtermais eingesetzt und wird als "vermutlich krebserregend" eingestuft. Einmal mehr zeigt es sich, wie dreifach schädlich diese Industriebetriebe sind, welche ohne Rücksicht auf Gesundheit und Natur, aus reiner Profitgier handeln. Erstens zwingt die industrielle Schweinehaltung, wie sie im Kanton Luzern üblich ist, Schweine zu einem qualvollen Leben und Sterben. Zweitens schädigt der mit dem Betrieb verbundene Einsatz von Düngemitteln und das Ausbringen der Exkremente auf die Felder die Böden und das Wasser. Und zu guter Letzt schadet der Konsum des Schweinefleischs auch der Gesundheit und treibt die Gesundheitskosten in die Höhe. Dass die Steuerzahler für diesen Unsinn auch noch Subventionen und Direktbeiträge an die Landwirtschaft bezahlen ist absolut unverständlich. Es wird Zeit, dass sich die Natur gegen die skrupellose Ausbeutung wehren kann und eine eigene Rechtspersönlichkeit erhält. An der diesjährigen "Confluence of Water Bodies" in Venedig (Oktober 2024) wurde auch der Diplomatic Suitcase gezeigt, welcher Beiträge von den angeschlossenen europäischen Gewässern vereint. Der Beitrag der Reuss ist betitelt mit "Die Sprache der Natur - Die Schlüssel finden, um mit Naturwesen zu kommunizieren."
Der Diplomatic Suitcase versucht die Idee der Rechtspersönlichkeit von Gewässern in Europa auf künstlerische Weise zu vermitteln. Er wurde an der “Confluence of European Water Bodies” am Mar Menor (Spanien, 2023) entwickelt. Die Natur wird im Objekt der Reuss durch einen 20 Millionen Jahre alten Stein dargestellt. Der Stein besteht aus Sand und Muscheln, denn die Stelle, wo heute die Reuss den Vierwaldstättersee verlässt, war vor 20 Millionen Jahren der Strand eines Ozeans. Der Strand wurde zu Stein. Erst vor etwa 2 Millionen Jahren tauchte der Mensch in der Landschaft auf. Die Natur war und wird sein. Und die Menschheit? Sie war. Aber sie wird auf lange Sicht nur existieren, wenn sie den Schlüssel findet, um mit der Natur zu kommunizieren, um die Natur zuverstehen, um die Sprache des Meeres und der Flüsse zu verstehen. Nur wenn die Menschheit mit der Natur kommuniziert, wird sie verstehen, wie sie als Teil der Natur überleben kann. Ein Bericht aus Venedig von Mitglied Julian Purrmann (Photos Nicolò Mania) An der diesjährigen «Confluence of European Water Bodies» («Zusammenfluss europäischer Gewässer») in Venedig war die Reuss neben einer Reihe anderer Gewässer, vom islandischen Gletscher Snæfellsjökull bis zum Fluss Drina in Serbin vertreten. In Venedig, einem Ort der wie wenig andere mit seinen Gewässern verbunden ist, trafen sich Repräsentantinnen und Repräsentanten verschiedener lokaler Initiativen, die ihre Gewässer schützen, regenerieren, zur Rechtsperson erklären oder insgesamt eine engere Beziehung zu ihnen pflegen wollen. Sie kamen um sich auszutauschen, zu vernetzen und voneinander zu lernen. Die Beiträge waren vielfältig: Die begeisternden Aktivistinnen der spanischen Salzwasserlagune Mar Menor teilten ihre Erfahrungen, wie sie für ihr Gewässer als erstes Ökosystem in Europa mit einen Bürgerinitiative eine Rechtspersönlichkeit erkämpft haben. Eine Maori Frau vom neuseeländischen Whanganui Fluss, der ebenfalls eine Rechtspersönlichkeit hat, gestaltete ein Ritual, um die gemeinsame Verbindung zum Wasser, der Quelle allen Lebens, zu stärken. Ein Künstler, der die deutsche Spree vertritt, stellte das sich fortlaufende Kunstwerk «Diplomatic Suitecase» vor, das als diplomatisches Ausstelltungsobjekt die Gewässer in interaktiven Ausstellungen vertritt und zu dem alle Gewässer der Confluence einen Gegenstand und eine Probe ihre Wassers beigetragen haben. Die Bewegung für Gewässer in Europa ist also quicklebendig und wächst – in diesem Jahr waren schon doppelt so viele Gewässer vertreten, wie beim letzten mal. Auf das im kommenden Jahr, dann zu Gast bei der «Embassy of the North Sea» («Botschaft der Nordsee») in den Niederlanden noch mehr Gewässer ihren Weg zur Confluence finden! teilnahme der Reuss an der Confluence of european water bodies 2024 in venedig Nach dem ersten Treffen der europäischen Gewässer am Ufer des Mar Menor (Spanien) im September 2023 (Confluence of European Water Bodies 2023) findet die diesjährige Ausgabe des Treffens in Venedig (Italien) statt. Gastgeber des Treffens vom 3.-6. Oktober 2024 ist die TBA21–Academy’s Ocean Space. Als Delegierter des Vereins Rechtsperson Reuss wird Vereinsmitglied Julian Purrmann teilnehmen. Er ist seit Anfang des Jahres wissenschaftlicher Assistent am Institut für Kulturwissenschaft und europäische Ethnologie an der Universität Basel und entwickelt zur Zeit ein Doktoratsprojekt in der Kulturanthropologie zu den Rechten der Natur. Er schreibt: "Seit einiger Zeit bewegen mich die vielfältigen sozial-ökologischen Krisen, die unter dem Namen Anthropozän auch eine Krise der für die Moderne so fundamentalen Kategorien von Natur und Kultur bezeichnen. Die Rechte der Natur sind für mich ein Versuch, hier ganz praktisch zu einem neuen Grundverständnis von Menschen als eingebunden in eine Mehr-als-menschliche Welt zu kommen, das Möglichkeitsräume für neue Formen der nachhaltigeren und Sorge tragenderen Interaktion mit dieser Welt eröffnet. Neben der Freude, regelmässig das kühle Nass eines Flusses zu geniessen, bin ich fasziniert von den vielfältig schillernden Qualitäten von Gewässern: ihrer verschiedenen Formen, ihrer Verwobenheit mit allem Leben um sie herum, ihren mannigfaltigen kulturellen Bedeutungen und von ihrer Fähigkeit, Menschen und andere Lebewesen um sie zu versammeln. Gleichzeitig sind die Veränderungen durch Klimawandel, Biodiversitätskrise und grosse Infrastrukturprojekte Grund, mich für den Erhalt und die Regeneration lebendiger Wasserökosysteme einzusetzen." Die Initiative «Für eine sichere Ernährung – durch Stärkung einer nachhaltigen inländischen Produktion, mehr pflanzliche Lebensmittel und sauberes Trinkwasser» kommt vors Volk! Das Initiativkomitee um Franziska Herren hat innerhalb eines Jahres mehr als 100 000 Unterschriften gesammelt und beglaubigen lassen.
Die Unterschriften werden am 16. August in Bern eingereicht. Zur Ernährungssicherheit gehört auch die Sicherstellung von genügend sauberem Trinkwasser. Von sauberem Wasser wird auch die Reuss und andere Gewässer profitieren. Der vernachlässigte Gewässerschutz, die Schliessung von Trinkwasserfassungen wegen Pestiziden und Nitrat sowie die vermehrte Trockenheit infolge der Klimakrise gefährden die Versorgung mit unserem wichtigsten Lebensmittel überhaupt, dem Wasser. Es ist ein Skandal, dass im Kanton Luzern die festgelegten Höchstwerte für Dünger immer noch überschritten werden. Heute werden schweizweit beim giftigen stickstoffhaltigen Gas Ammoniak die Grenzwerte um 70% überschritten! Solange sich die Gewässer nicht selber für ihr Recht auf sauberes Wasser wehren können, sind Initiativen wie die Initiative «Für eine sichere Ernährung – durch Stärkung einer nachhaltigen inländischen Produktion, mehr pflanzliche Lebensmittel und sauberes Trinkwasser» doppelt wichtig. Wer den Verein für «Sauberes Wasser für alle» unterstützen will, kann dies hier tun: Verein für sauberes Wasser Zum Ökosystem Reuss gehören auch Fische. Fälschlicherweise wird diesen nicht-menschlichen Wesen von vielen die Empfindungsfähigkeit abgesprochen. Fische sind im Alltag unsichtbar, werden als Sache behandelt. Wie andere Wesen im Wasser auch, können Fische Schmerzen fühlen. Fische zeigen auch Anzeichen von Kooperation und Altruismus sowie die Fähigkeit zur Freude – etwa in Form spielerischen Verhaltens. Angesichts der zunehmenden Evidenz für die Empfindungsfähigkeit von Fischen, so die Aussage unserer Partnerorganisation Sentience, sollten Fische deshalb mit einem höheren Schutzniveau ausgestattet werden. In einer Petition fordert Sentience u. a. dass der rechtliche Schutz von Fischen ausgeweitet werden soll.
Die Petition "Geben wir unsichtbaren Tiere eine Stimme" kann hier unterzeichnet werden. PETITION Die Arbeit des Vereins Rechtsperson Reuss wird in einem Beitrag auf Reatch in einen historischen Zusammenhang der Entwicklung unserer Bundesverfassung gesetzt. Denn die Verfassung von 1848 hat vielen Mitgliedern unserer Gesellschaft zum ersten Mal Grundrechte eingeräumt. Mit der Zeit wurde der Kreis jener, welche von den Verfassungsrechten profitierten, erweitert. So erkämpften arme Menschen, die keine Steuern bezahlen konnten, Juden oder Frauen Rechte in der Verfassung. "Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen. Noch sind nicht-menschliche Wesen vom Rechtssystem unserer Gesellschaft ausgeschlossen. Als Nicht-Personen können sie kein Gericht anrufen. Es ist Zeit, eine weitere wichtige Gruppe unserer Gesellschaft unter den Schutz der Verfassung zu stellen." Es besteht Hoffnung, dass im Jahr 2048 zum 200 Jahr Jubiläum der Schweizerischen Bundesverfassung nicht nur die Reuss, sondern alle nicht-menschlichen Wesen über Grundrechte und Rechtspersönlichkeit verfügen werden. |
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AutorMarkus Schärli / Präsident Verein Rechtsperson Reuss Archiv
November 2024
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